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Tonträger
swiss clarinet music
Walter - Schoeck - Darbellay - Hefti

Bernhard Röthlisberger
Nils Kohler
Ernesto Molinari
Benjamin Engeli

© 2020 musiques suisses

"...die famose CD "swiss clarinet music"... Spannend, wie das Schweizer Musikschaffen aus dem verträumten 19. Jahrhundert über Schoeck hinweg einen Weg in die Gegenwart fand."
aus: Aargauer Zeitung/Solothurner Zeitung, 14. Januar 2021



NXMS7002

 

August WALTER (1821–1896)
Fantasy and Capriccio, Op. 13 (1857) *

David Philip HEFTI (b. 1975)
Canto for bass clarinet solo (2012) *

Othmar SCHOECK (1886–1957)
Andante for Clarinet and Piano in E flat major, WoO 35 (1916) *

David Philip HEFTI
(T)raum-Ze(n)it dialogue for 2 bass clarinets (2008)

Jean-Luc DARBELLAY (b. 1946)
Sentences (version for basset clarinet solo) (2009, rev. 2020) *

Othmar SCHOECK
Sonata for Bass Clarinet and Piano, Op. 41 (1927–28)

Jean-Luc DARBELLAY
Chant d’adieux for clarinet in A and basset horn (1998) *   

David Philip HEFTI
Counterpoints on ‘come, sweet death’ for clarinet trio (2000)

Total time: 67:32

* WORLD PREMIERE RECORDING


 

SCHWEIZER MUSIK FÜR KLARINETTE
Aus der Not geboren…
Das Jahr 2020 steht für eine Zäsur in der Musikwelt, wie sie bis dahin nicht vorstellbar war. Von einem Moment zum andern blieb das Konzertleben stehen, Orchester sagten Proben und Konzerte ab, Opernhäuser blieben geschlossen, nicht einmal mehr Kammerkonzerte fanden statt. Nach Monaten der Orientierungs- und Ziellosigkeit zuhause wollten wir dieser Corona-Krise etwas Nachhaltiges abgewinnen. So ist innerhalb weniger Wochen dieses Album entstanden, welches ausschliesslich Schweizer Komponisten gewidmet ist. Werke von August Walter, einem fast vergessenen Romantiker, und Othmar Schoeck werden den Kompositionen von Jean-Luc Darbellay und David Philip Hefti für eine, zwei oder drei Klarinetten gegenübergestellt, wobei nicht weniger als sechs verschiedene Instrumente der Klarinettenfamilie zum Einsatz kommen.
August Walter (1821–1896)
Fantasie und Capriccio op. 13 für Klarinette und Klavier (1857)
August Walter stammte ursprünglich aus dem süddeutschen Raum und kam nach seinen Studienjahren bei Bernhard Molique in Stuttgart und Simon Sechter in Wien 1846 nach Basel, wo er ein halbes Jahrhundert als Musikdirektor und Pädagoge das kulturelle Leben der Stadt prägte. Er war mit der bekannten Sopranistin Anna Walter-Strauss verheiratet und wurde 1874 Basler Bürger. In Fantasie und Capriccio op. 13 (komponiert 1857, publiziert 1859 bei Breitkopf & Härtel) zeigt sich Walter als ein handwerklich äusserst versierter Komponist, der die klanglichen Möglichkeiten der Klarinette von verinnerlichter Melancholie bis zu grosser Dramatik geschickt einsetzt und im Capriccio eine geradezu frühlingshafte Leichtigkeit findet.
Othmar Schoeck (1886–1957)
Andante Es-Dur WoO 35 für Klarinette und Klavier (1916)
Sonate op. 41 für Bassklarinette und Klavier (1927–28)
Othmar Schoecks Sonate op. 41 (1927–28) gilt als das Repertoire-Stück für Bassklarinette schlechthin. Das Werk überrascht mit einer gelungenen Verbindung von Elementen des Ragtime und einer in der deutschen Moderne wurzelnden Tonsprache. Werden die beiden Sphären im ersten Satz synthetisiert, so akzentuiert die Fortsetzung den Kontrast: Der zweite Satz, der wild und ungestüm daherkommt, bis er sich nach zwei rezitativischen Passagen beruhigt, ist kontrapunktisch dicht gearbeitet, treibt die Tonalität an ihre Grenzen und erinnert bisweilen an die Musik von Schoecks Lehrer Max Reger. Nahtlos schliesst der dritte Satz an, der seine Nähe zu Ragtime und leichteren Genres offener deklariert als der Kopfsatz.
Von einer ganz anderen Seite zeigt sich Schoeck im Andante Es-Dur für Klarinette und Klavier (1916), dem erst 1972 publizierten zweiten Satz einer Fragment gebliebenen Sonate. Fast impressionistisch muten die Hemiolen-Achtel im Klavier an, bevor die Klarinette ihren Gesang aufnimmt, der sich langsam aus der Tiefe heraus öffnet und aufblüht.
Jean-Luc Darbellay (geb. 1946)
Sentences für Bassettklarinette solo (2009, überarbeitet 2020)
Chant d’adieux für Klarinette in A und Bassetthorn (1998)
Jean-Luc Darbellay schrieb seine Sentences für Klarinette 2009 ursprünglich als Pflichtstück für den Concours National d’Exécution Musicale de Riddes. Das Werk besteht aus neun kurzen Stücken. Die hier eingespielte Version für Instrumente der Klarinettenfamilie bis Tief C (Bassettklarinette, Bassetthorn oder Bassklarinette) entstand etwas später und bereichert das klangliche Spektrum in erstaunlicher Weise. Die von Mozarts Klarinettisten Anton Stadler entwickelte, leider nur selten eingesetzte, in dieser Aufnahme jedoch verwendete Bassettklarinette verbindet die gesanglichen Qualitäten einer Klarinette in der Clarin-Lage mit der knackigen, trockenen Tiefe des Bassetthorns. Beides kommt in Sentences wunderbar zum Tragen.
Chant d’adieux für Klarinette in A und Bassetthorn wurde auf der Wartburg bei Eisenach an einem zauberhaften Sommerabend anlässlich eines Privatkonzertes im Jahr 1998 von Elsbeth und Jean-Luc Darbellay uraufgeführt. Das ruhige, frei atmende kurze Stück entwickelt sich aus einem sehr leisen Unisono über die grosse Sekunde zu einem pentatonischen Gesang, in welchem die beiden Instrumente verschmelzen.
David Philip Hefti (geb. 1975)
Canto für Bassklarinette solo (2012)
(T)raum-Ze(n)it Dialog für zwei Bassklarinetten (2008)
Counterpoints on «Come, sweet death» für Klarinettentrio (2000)
Canto für Bassklarinette solo wurde 2012 komponiert und ist dem Klarinettisten Elmar Schmid gewidmet. In dieser einsätzigen Komposition lösen sich ständig drei Grundtempi ab. Zwei davon stehen im Drittelsverhältnis zueinander (presto=132 / lento=44), wobei der Fokus auf den getragenen, kantablen Passagen liegt. Das dritte Tempo ergibt sich durch die Fähigkeiten und den Körperbau des Interpreten, da die entsprechenden Phrasen auf einen einzigen Atem gespielt werden müssen. Durch den starken Einbezug von Multiphonics entstehen Anklänge an die mittelalterliche Mehrstimmigkeit. Das Tonmaterial wurde aus dem Namen des Widmungsträgers abgeleitet.
(T)raum-Ze(n)it, Dialog für zwei Bassklarinetten, entstand 2008 und ist Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm gewidmet. Raum und Zeit gehören wohl zu den meistdiskutierten Begriffen überhaupt. Immanuel Kant legt in seiner transzendentalen Ästhetik dar, dass Raum und Zeit Voraussetzungen der sinnlichen Vorstellung sind. In der Relativitätstheorie bedeutet Raum-Zeit die Zusammenfassung der drei Raumdimensionen mit der Zeit als vierter Koordinate zu einem vierdimensionalen Raum. Und ähnlich wie sich aus dem initialen Unisono des Stückes über Klangfarbenwechsel und Mikrointervalle erst allmählich Strukturen entwickeln, die als Zweistimmigkeit wahrnehmbar sind, so verschwimmen im Traum Zeit und Raum zu vieldeutigen, häufig irrealen Bildern...
Die Counterpoints on «Come, sweet death» (2000) schrieb Hefti im Auftrag des Ensemble Clarino und widmete sie dem Klarinettisten Valentin Wandeler. Die fünf Kontrapunkte über den Choral Komm, süsser Tod von J.S. Bach könnten unterschiedlicher nicht sein und werden von seriellen Kompositionstechniken, Aleatorik, symmetrischen Skalen, barocken Ornamenten, Romantisierungen und zeitgenössischen Spieltechniken geprägt. Die Komposition ist spiegelsymmetrisch aufgebaut, was bedeutet, dass sie nach der Mitte rückwärts läuft (Krebsgang).
Bernhard Röthlisberger, Jean-Luc Darbellay, David Philip Hefti

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CD-Rezensionen

Eine um die andere CD ist Ende 2020 und Anfang 2021 erschienen: Vom Solorezital bis zum Orchesterstück, Neue wie Alte Musik, sogar eine Kinderoper ist dabei. Von einem Teil dieser Schweizer Glanztaten ist im Folgenden die Rede... Auf David Philip Hefti stossen wir auch in der famosen CD «swiss clarinet music», in der zuerst das Klavier eine klare Ansage macht und vorgibt, wo es langgeht. Wenn nun die Klarinette einsetzt und gleich zu schwatzen beginnt, will man vorerst lieber hören, was das Klavier weiter anstellt. Doch Klarinettist Bernhard Röthlisberger lässt das naturgemäss nicht zu, verschmilzt aber alsbald mit dem Klavier (bravourös Benjamin Engeli) zu einem einzigen Klang. Geschrieben hat das Werk ein August Walter (1821–1896). In der Folge kommen drei weitere Schweizer Komponisten zu Wort, erst Hefti, bald Othmar Schoeck (1886– 1957), dann Jean-Luc Darbellay (1946). Spannend, wie das Schweizer Musikschaffen aus dem verträumten 19.Jahrhundert über Schoeck hinweg einen Weg in die Gegenwart fand.
aus: Aargauer Zeitung/Solothurner Zeitung, 14. Januar 2021

 

 

 

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